Brustkrebs

Behandlung klimakterischer Beschwerden bei Mammakarzinom

Symptomatik

Von den klimakterischen Symptomen, die durch das Erlöschen der endokrinen Ovarialfunktion hervorgerufen werden, drängen besonders häufig vasomotorische Beschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche sowie urogenitale Atrophie zu einer Behandlung. Hinzu kommen Verstimmungen, Nervosität, Schlaflosigkeit und Antriebsarmut. Weitere durch den Östrogenmangel bedingte Störungen sind Osteoporose, durch Lipidveränderungen bedingte Zunahme koronarer Herzerkrankungen, cerebrale Insulte (Schlaganfälle) sowie vermutliche auch der M. Alzheimer. Durch die Therapie der Tumorerkrankung selbst kann bei noch prämenopausalen Patientinnen eine iatrogene Menopause mit besonders heftigen Symptomen induziert werden oder die bereits bestehenden Beschwerden erheblich aggraviert werden.

Problematik der Hormonsubstitution

Die erfolgreiche Therapie der die Lebensqualität entscheidend beeinträchtigen klimakterischen Beschwerden durch eine Östrogensubstitution erscheint während und nach Mammakarzinomerkrankung problematisch:

  1. Die Hormaonsubstitutuion scheint das Risiko ein Mammakarzinom zu entwickeln, zu erhöhen (relatives Risiko (RR) =1,5; siehe Kapitel "Diagnostik", "Risikofaktoren").
  2. Eine große Anzahl von Mammatumoren besitzt Östrogenrezeptoren.
  3. Die Ausschaltung der Ovarialfunktion, die Gabe von Antiöstrogenen und Aromatasehemmern gehören zu den effektivsten Strategien beim Mammakarzinom.
  4. In Einezelfällen wurden Remissionen von Mammakarzinommetastasendurch die Beendigung einer Hormonsubstitution beobachtet.

Andere Beobachtungen widersprechen dagegen einem schädlichen Östrogeneinfluss.

  1. Östrogene wurden erfolgreich zur Behandlung des Mammakarzinoms eingesetzt.
  2. Eine Verschlechterung der Prognose tritt durch eine Schwangerschaft nach Behandlung eines Mammakarzinoms nicht ein (siehe Kapitel "Mammakarzinoms und Schwangerschaft").
  3. Patientinnen, die nach einer Mammakarzinomerkrankungen eine Hormonsubstitution vornahmen, zeigten dadurch keinen offensichtlich schlechteren Krankheitsverlauf.
  4. Bei Frauen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom wurden durch eine kombinierte Östrogen-Gestagen-Therapie Remissionen beobachtet.

Therapie

Während die Therapie des klimakterischen Symptomkomplexes schon bei Patientinnen ohne Mammakarzinomerkrankung ganz individuell gehandhabt werden muss und die einfühlsame Führung durch den Behandler gefordert ist, gilt dies im Rahmen eines Mammakarzinoms in noch verstärktem Ausmaß. Wegen des Fehlens verlässlicher Studien ist die Hormonsubstitution bei Mammakarzinompatintinnen daher immer noch ein ungelöstes klinisches Dilemma. Es sollte zunächst versucht werden, das Beschwerdebild ohne systemische hormonelle Substitution zu bessern (siehe nachfolgenden Stufenplan).

Stufenplan für den Einsatz verschiedener Therapiemöglichkeiten, insbesondere bei vasomotorischen Beschwerden
Stufe I: Symptomatische Maßnahmen Homöopathika Phytotherapeutika Organpräparate Physikalische Therapie Entspannungsverfahren
Stufe II: Medikamentöse, nicht-hormonelle Maßnahmen Alpha-adrenerge Antagonisten: Clonidin, Methyldopa Kombinationen mit Psychopharmaka
Stufe III: Hormonelle Maßnahmen Gestagene: Medroxyprogesteronacetat (MPA), Norethisteron, Tamoxifen Östrogene monophasich kontinuierlich in Kombination mit Gestagenen.

Bei den Substanzen der Stufe 1 und 2 lässt sich die Grenze zum Placebo nur schwer ziehen. Doch ist das bei der Behandlung der vasomotorischen Beschwerden unerheblich. Entscheidend ist die subjektiv empfundene Beschwerdebesserung. Der Potenz einer Abhängigkeitsentwicklung sollte bei Psychopharmaka Rechnung getragen werden, wodurch eine länger dauernde Behandlung problematisch wird. Wenn durch die Präparate der Stufen 1 und 2 keine ausreichende Milderung der Beschwerden erreicht wird, sollte zunächst ein Versuch mit einer Gestagen-Behandlung gemacht werden. Hierzu scheinen 5 (-100) mg/Tag Medroxyprogesteronacetat (MPA) oder 5 - 10 mg Norethisteron geeignet. Damit kann häufig eine Besserung der Symptomatik erreicht werden. Obwohl es über den Einfluss niedriger Gestagendosen auf Mamma- oder Mammakarzinomgewebe keine gesicherten Erkenntnisse gibt, ist eine Stimulation von Tumorwachstum oder die Induktion eines Rezidivs bzw. einer Metastasierung wohl nicht zu befürchten, das Gestagene zumindest in hohen Dosen beim Mammakarzinom antiproliferativ wirken. Während sich Tamoxifen bei einigen Patientinnen günstig auswirkt, reagieren andere nicht oder sogar mit einer Verschlechterung ihre Symptome. Wenn durch alle bisher genannten Maßnahmen keine Besserung der Beschwerden erreicht und die Lebensqualität der Patientinnen zu stark eingeschränkt wird, kann eine Östrogensubstitution notwendig werden. Die Substitution der Ovarialsteroide wir als kontinuierliche monophasische Östrogen-Gestagen-Kombination empfohlen, weil dadurch möglicherweise das Risiko einer Tumorstimulation vermindert werden kann. Die Therapie sollte mit den niedrigst wirksamen Dosen erfolgen und nach einigen Monaten die Notwendigkeit der Substitution überprüft werden. Sinnvolle Freizeitbeschäftigung und Kleidung, Kneipp- und Bewegungstherapiemedizinische Bäder, Entspannungsverfahren, Meiden von Alkohol, Koffein und scharfen Gewürzen sind als unterstützende Maßnahmen bei allen Stufen empfehlenswert. Der Hormonrezeptorstatus im Primärtumor hat keinen direkten Einfluss auf die Entscheidung für und wider eine Östrogensubstitution. Jedoch wird man sich bei Östrogenrezeptor-negativen Erkrankungen leichter für eine Östrogensubstitution aussprechen können. Auch eine fixe Wartezeit zwischen Primärtumorbehandlung und Beginn einer eventuellen Hormonsubstitution kann nicht vorgeschrieben werden.Wird die Beschwerdesymptomatik erst nach einem Intervall von 3 - 5 Jahren so ausgeprägt, dass Östrogene erforderlich werden, wird man sich leichter für die Hormonsubstitution entscheiden können. Bevor eine Östrogenbehandlung begonnen wird, muss ein erneutes Tumorwachstum (Lokalrezidiv/Metastasierung) ausgeschlossen werden. Während der adjuvanten hormonellen oder zytostatischen Behandlung der Mammakarzinomerkrankung gelten entsprechende Empfehlungen. Die Stufe 1 und 2 haben zunächst Vorrang. Unter den gleichen Voraussetzungen wie oben beschrieben, ist eine Hormonsubstitution in Kombination mit Zytostatika möglich. Während Tamoxifen im Scheidenbereich die Lubrikation fördern kann, führt es bei einigen Patientinnen zu ansonsten eher zu einer Verstärkung der Postmenopausensymptomatik. In diesen Fällen kann man mit einer einschleichenden Tamoxifendosierung beginnen oder mit niedrigdosiertem Gestagen.
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